Bachelorthesis: Bet Knesset - Jüdisches Gemeindezentrum Hildesheim
Städtebauliche Setzung/Form
Der Ort für das Projekt Synagoge mit Gemeindezentrum befindet sich in Hildesheim am Standort der ehemaligen Synagoge, die in der Reichsprogromnacht 1938 zerstört wurde.
Die Umgebung des Grundstückes ist geprägt von kleinteiligen Häusern aus Fachwerk, der Leerraum am Standort der zerstörten Synagoge hat sich zu einer platzartigen Freifläche entwickelt.
Das Projekt formuliert an diesem Standort für die neue Synagoge einen Gebäudekörper, der den Standort mit kleinem Fußabdruck besetzt und in seiner skulpturalen Ausprägung einen weiteren Hochpunkt entwickelt, der sich im Gleichgewicht mit der Pfarrkirche Basilika St. Godehard und dem Kehrwiederturm befindet. Der Kehrwiederturm ist der letzte noch erhaltene Turm der mittelalterlichen Stadtbefestigungsanlage.
So wird das Weichbild der Stadt harmonisch ergänzt mit einem weiteren signifikanten Gebäudekörper, womit der kulturellen Bedeutung der neuen Synagoge in der Stadt dem Ausdruck nach gerecht wird.
Die Anordnung der Baumasse auf dem Grundstück lässt einen eingefriedeten Hof, der für die jüdische Gemeinde nutzbar ist, und einen Platz mit Café für die Nachbarschaft, der die Vernetzung der Gemeinde mit der Umgebung anbietet, entstehen.
Regeln zum Synagogenbau
Der Entwurf richtet sich in nach den Regeln zum Synagogenbau, dessen wichtigsten Punkte hier nach einer Ausführung von Katrin Keßler („Ritus und Raum der Synagoge – Liturgische und religionsgesetzliche Vorraussetzungen für den Synagogenbau in Mitteleuropa“, Michael Imhof Verlag, Petersburg 2007) zusammengefasst sind:
Die nach Osten (Andachtsrichtung) ausgerichtete Synagoge sollte nach Möglichkeit ein freistehendes und hohes Gebäude sein, dass nicht von höheren Gebäuden der Umgebung dominiert wird. Der Eingang in den Synagogenraum sollte sich gegenüber der Andachtsrichtung also nach Westen befinden. Zur Einrichtung ist festgelegt, dass sich der Thoraschrein in der Ostwand befindet, die Bima steht in der Mitte oder am Ende des Andachtsraumes.
Innere Organisation
Der Eingang und die Adresse der Synagoge ist gekennzeichnet durch einen Einschnitt im Gebäudevolumen über Eck von der nordwestlichen Straßenseite und vom Platz. Weiteres Kennzeichen und Empfangsgeste ist ein an dem Bauwerk angebrachter Schriftzug in deutsch und hebräisch aus der Thora mit der Bedeutung: „Mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker genannt werden“.
An den Eingangsbereich schließt sich die vertikale Erschließung aller Ebenen des Gebäudes an. Der Veranstaltungssaal wird an prominenter Stelle vom Eingang aus erschlossen und dient auch als Treffpunkt und Versammlungsort vor und nach Gottesdiensten. Eine kombinierte Nutzung mit dem Außenbereich des eingefriedeten Hofes ist möglich. Hier im Erdgeschoss sind auch weitere, dienende Funktionen wie Küchen und Garderobe angegliedert.
Die halbgeschossig zueinander versetzten Ebenen werden über einen prägnanten Erschließungsraum erreicht, der sich als Treppenanlage mit Galerien und natürlicher Belichtung jeweils im Wechsel von Ost und West bis zu der obersten Geschossebene entwickelt.
Auf den Galerien befinden sich Aufenthaltsbereiche zum Sitzen, Treffen, Arbeiten und Lesen. In die begleitenden Wänden sind teilweise Bücherregale als dezentrale Bibliothek integriert.
Über dem Veranstaltungssaal im EG befindet sich im ersten OG der eigentliche Synagogenraum der sich vertikal bis zum Dach und damit höchsten Punkt des Gebäudes erstreckt.
Entsprechend der Nutzungszusammenhänge und -hierarchie verteilen sich die weiteren Räume wie Besprechungsräume, Thoraschule, Büros für Vorstand, Sozialarbeiter und Rabbiner, Mini-Apartment für Rabbiner und Hausmeisterwohnung auf die weiteren Ebenen.
Konstruktion/Fassade
Dem monolithischen Baukörper und dem Formprozess entsprechend wird die Außenwand gefügt aus zweischaligen Mauerwerk aus Porotondämmsteinen als Hintermauerwerk und einer Vormauerschale aus hochkant, also als Granadierschicht, vermauerten Ziegelsteinen. Im Gefüge springen die Steinreihen jeweils pro Steinschicht - also alle 25 cm - zurück und formulieren so den sich verjüngenden skulpturalen Gebäudekörper des Gemeindezentrums. In diese Mauerwerksschichten sind Fensterbänder eingewebt in den Höhen eines Schichtenvielfaches und gerahmt und umsäumt mit einem Betonfertigteil. Bei Synagoge und eingefriedetem Hof sind Lichtschlitze in Höhe einer Steinreihe eingefügt, die den Raum belichten aber die Konzentration auf das Andachtsgeschehen nicht durch Aus- und Einblicke unterbrechen.